Am Beispiel meines Bruders - Uwe Timm
"Abwesend und doch anwesend hat er mich durch meine Kindheit begeleitet, in der Trauer der Mutter, den Zweifeln des Vaters, den Andeutungen zwischen den Eltern. Von ihm wurde erzählt, das waren kleine, immer ähnliche Situationen, die ihn als mutig und anständig auswiesen. Auch wenn nicht von ihm die Rede war, war er doch gegenwärtig, gegenwärtiger als andere Tote, durch Erzählungen, Fotos und in den Vergleichen des Vaters, der mich, den Nachkömmling, einbezogen."
FAZIT: In diese, wie auch in seinen anderen Werken, befasst sich Uwe Timm mit einem weiteren sehr persönlichen Thema. Sein Bruder, der, gefallen im Zweiten Weltkrieg und für Uwe Timm nur eine bildlose Gestalt, die er von Erzählungen kannte, trotzdem immer gegenwärtig war, immer als Vergleichsobjekt des Vaters für den "Nachkommling", wie Timm selbst genannt wurde, stand. Sein Leben lang musste er sich mit dem mutigern, anständigeren, besseren Bruder herumschlagen, der am Ende gar zu einem Phantom wurde. Doch auch die Geschichte seines Vaters wird hier erzählt, das Verhältnis zu ihm, seine eigene Entwicklung, die in den innerlichen und äußerlichen Zerfall deutlich wurde. Erst, nachdem all seine Verwandten, Bruder, Vater, Mutter und Schwester gestorben waren, konnte sich Uwe Timm mit diesem Thema, mit diesem Aspekt seines Lebens beschäftigen und darüber schreiben. Mit Auszügen aus dem Tagebuch des Bruders, Briefen an seinen Vater und vielen Erinnerungsfetzen versucht Uwe Timm hier ein Bild zu liefern, eine kleine Rechtfertigung vor sich selbst, aber vor allem ein Schreiben, das nur eines zum Ziel hat: Verarbeitung. Es ist vielleicht sogar das persönlichste Buch, das Timm bis jetzt geschrieben hat und es ist definitiv lesenswert.
4 Sterne
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