"Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat und die Seelen derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben."

Sonntag, 26. Dezember 2010

Schlaflied für Mirjam - Richard Beer-Hofmann

Schlaf mein Kind, schlaf, es ist spät -
Sieh wie die Sonne zur Ruhe dort geht.
Hinter den Bergen stirbt sie in Rot.
Du, weißt nichts von Sonne und Tod.
Wendest die Augen zum Licht und zum Schein.
Schlaf, es sind so viele Sonnen noch dein.
Schlaf, mein Kind, mein Kind, schlaf ein.

Schlaf mein Kind, der Abendwind weht.
Weiß man woher er kommt, wohin er geht?
Dunkel verborgen die Wege hier sind.
Dir und auch mir, und uns allen mein Kind.
Blinde so gehn wir und gehen allein.
Keiner kann keinem Gefährte hier sein.
Schlaf mein Kind, mein Kind, schlaf ein.

Schlaf mein Kind, und horch nicht auf mich.
Sinn hats für mich nur und Schall ists für dich.
Schall nur wie Windes wehn, Wassergerinn
Worte vielleicht eines Lebens Gewinn!
Was ich gewonnen gräbt man mit mir ein
Keiner kann keinem ein Erbe hier sein.
Schlaf mein Kind, mein Kind, schlaf ein.

Schläfst du Mirjam, Mirjam mein Kind?
Ufer nur sind wir und tief in uns rinnt
Blut von Gewesnen, zu Kommenden rollts
Blut unsrer Väter voll Unruh und Stolz.
In uns sind alle, wer fühlt sich allein?
Du bist ihr Leben, ihr Leben ist dein.
Mirjam mein Leben, mein Kind, schlaf ein.

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